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Spürnasen für alte Rezepte 

Wissenschaftler am Vasa-Museum in Stockholm versuchen herauszufinden, was die Schweden im frühen 17. Jahrhundert gegessen haben

Birgitta Stapf leistet kulinarische Detektivarbeit. Zusammen mit ihren Kollegen vom Stockholmer Vasa-Museum versucht sie herauszufinden, was die Menschen in Schweden zu Beginn des 17. Jahrhunderts gekocht und gegessen haben. Rezepte aus dieser Zeit gibt es keine, und so sind die Vasa-Wissenschaftler auf ihr Gespür und ihre Kombinationsgabe angewiesen.

1628 brach das Flaggschiff Vasa zur Jungfernfahrt auf. Auf Befehl von König Gustav II. Adolf war der riesige, 62 Meter lange Segler in dreijähriger Bauzeit aus eintausend Eichen entstanden. Das Kriegsschiff war fast zwölf Meter breit und hatte eine Segel-Fläche von etwa 1.200 Quadratmetern. Der Großmast ragte rund fünfzig Meter hoch über dem Wasserspiegel. Zwei Reihen mit Kanonen sollten alles bisher da gewesene in den Schatten stellen und allein der schiere Anblick sollte den Gegnern Respekt einflößen.

Doch die erste Reise war auch die letzte: sie endete schon nach wenigen hundert Metern. Das Schiff hatte schwere Konstruktionsfehler und war falsch beladen. Es bekam Schlagseite und sank am 10. August 1628 kurz nach der Ausfahrt aus dem Stockholmer Hafen. Archäologen bargen das Schiff von 1956 bis 1961 und konservierten es. Dazu besprühten sie es zwanzig Jahre lang mit Plyäthylen-Glykol, um zu verhindern, dass das Holz austrocknet und zerfällt. Und sie sicherten alle Gegenstände an Bord. Von der Arbeit der Archäologen profitiert auch Birgitta Stapf bei ihrem Forschungsprojekt.Dafür ließ sie zuallererst einen Abguss des gusseisernen Topfs anfertigen, der in der Kombüse der Vasa hing. „Ein Riesentopf ist das“, sagt sie und rührt um, „150 Liter groß“. Während das Original nie in Betrieb war, kocht Stapf im Duplikat wie in alter Zeit ... 

Nachdem die Vasa 1961 gehoben war, tauchten in den Kajüten der Matrosen weitere Alltagsgegenstände auf: geschnitzte Löffel und Essnäpfe und Krüge. Ganz unten im Schiff standen Dutzende von Holzfässern für Nahrungsvorräte. In einigen waren noch Tierknochen. In anderen müssen sich Weißkohl und Rüben befunden haben, erzählen lange Listen im schwedischen Reichsarchiv in Stockholm.

Vorratslisten und Funde und Phantasie sind die Indizien, die sich in die Zutaten für die Rezepte verwandeln. Eins davon ist eine Kohlsuppe, erläutert Birgitta Stapf. „Dazu gehören Weißkohl und drei verschiedene Pfeffersorten: Weißpfeffer, Kräuterpfeffer, Schwarzpfeffer; außerdem Lorbeer-Blätter, Thymian und Nelken. Dann ist sie ein bisschen gesüßt, und zwar mit Thymian-Honig.“ Die meisten der Zutaten für die Kohlsuppe wachsen auch im Garten hinter dem Vasa-Museum. Hier werden Heilkräuter, Gemüse und Blumen gepflanzt wie im 17. Jahrhundert – ebenfalls ein Projekt des Museums. Und Gewürze. „Einige wurden hier in Schweden angebaut, wie Thymian. Aber Pfeffer wurde importiert. Das war ja in Deutschland auch so“, sagt Stapf.

Das Rezept für die Kohlsuppe hat sie zusammen mit Roger Karlsson entwickelt. Der Koch unterrichtet an der Restaurant-Hochschule in Grythyttan rund 250 Kilometer westlich von Stockholm und arbeitet im Restaurant des Vasa-Museums. Dort stehen neben deftigen Suppen auch kulinarische Köstlichkeiten auf der Speisekarte, wie es sie vielleicht im 17. Jahrhundert bei besseren Leuten gab.

Suppe von Löwenzahnblättern mit Sauerampfer, Kerbel und Schnittlauch zum Beispiel. Oder eingelegte Entenbrust mit Rotkrautsalat und Dressing aus Honigsenf. Oder Perlhuhn mit Rotweinsauce, Rüben, Senf und Thymian. Oder Ren-Steak mit Steinpilzen, glasiertem Püree aus Mandel-Kartoffeln mit Käse aus der Region Västerbotten. Oder eingelegter Dorsch und Lachs mit Spinat und Senfsauce. Und als Dessert in Rum marinierte Trockenfrüchte mit Zimt-Kardamom-Eiscreme oder eine süße Käsetorte aus der südschwedischen Region Småland mit Kompott aus nordischen Brombeeren und leicht geschlagener Sahne.

(aus: Karfunkel, Magazin für Geschichte des Mittelalters)