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Das Herz der Bahn: die Netzleitzentrale 

Diesmal hat der Schnee den Fahrplan durcheinander gewirbelt. Die Flocken sorgen dafür, dass der InterCityExpress (ICE) 2322 von München nach Wiesbaden zu spät im Frankfurter Hauptbahnhof einfährt.

Erik Bemmann schiebt den Mauszeiger über seinen Computer-Bildschirm. Er sitzt in einem Großraum-Büro mitten in Frankfurt. Hier ist die Netzleitzentrale der Deutschen Bahn untergebracht, hier überwachen er und seine Kollegen den gesamten Eisenbahn-Fernverkehr in Deutschland. Und sie greifen ein, wenn etwas schief läuft.

„2322 läuft mit elf Minuten Verspätung auf Frankfurt zu und hätte dort planmäßig Anschluss auf den ICE 873 nach Basel“, analysiert Bemmann. Der Konflikt ist vorprogrammiert. Denn wenn der ICE nach Basel auf den verspäteten ICE aus München wartet, dann fährt er selbst auch wieder zu spät ab. Die Verspätung pflanzt sich fort und erfasst immer mehr Züge. Außerdem sind die Gleise Frankfurter Hauptbahnhof dicht belegt. Das Gleiche gilt für die Riedbahn von Frankfurt Richtung Mannheim und für die Rheinstrecke von Mannheim nach Basel. Jede Verspätung würde also unweigerlich zu neuen Konflikten führen.  

Erik Bemmann entscheidet. Der ICE nach Basel wartet nicht auf den verspäteten Zug aus München. Die Fahrgäste können eine Viertelstunde später zumindest bis nach Mannheim fahren. Wer tatsächlich bis nach Basel will, hat Pech. Von Mannheim aus gibt es erst eine dreiviertel Stunde später den nächsten Anschluss das Rheintal hinauf.

Einige Reisende sind froh, dass ihr Zug pünktlich in Frankfurt abgefahren ist und nicht auf den verspäteten Zug gewartet hat. Andere sind sauer, weil sie ihren Anschluss verpasst haben. „Egal wie man entscheidet, man tut immer irgendeinem weh“, sagt Klaus-Detlef Lehberger. Lehberger ist Chef der Netzleitzentrale. „Wir sind das operative Herz der DB“, erläutert er. Hier wird schnell entschieden, wenn der Fahrplan nicht mehr eingehalten werden kann, weil plötzlich irgendwo Probleme auftauchen.

Es herrscht konzentrierte Ruhe. Vor jedem der Mitarbeiter stehen drei oder vier Flachbildschirme. Auf ihnen werden mit Tabellen, Linien oder Grafiken die Fahrpläne dargestellt. Rund zwei Millionen Euro ließ sich die deutsche Bahn die acht Computer-Arbeitsplätze in der Netzleitzentrale nach eigenen Angaben kosten. Hier überwachen die Disponenten rund um die Uhr den Betriebsablauf im kompletten Strecken-Netz der Deutschen Bahn. Sie haben 36.000 Kilometer Gleis im Blick. ...

Es gibt Vieles, was nicht vorhersehbar ist: ein spontaner Streik bei der Italienischen Staatsbahn, eine kaputte Oberleitung, oder das Hochwasser in Ostdeutschland, Tschechien und Österreich 2002 ...

(aus: Süddeutsche Zeitung)